Kultur

Medienlandschaft

Um die Pressefreiheit im Tschad (Rang 123 von 180 Staaten im Jahr 2020, Rang 121 im Jahr 2017, 2011/12 noch auf Rang 103!) ist es in den letzten Jahren weiterhin schlecht bestellt. Nach einer zeitweiligen Öffnung bis Anfang 2000 sind Journalisten seitdem immer stärkeren Repressalien ausgesetzt, die schon häufiger zu Streiks von Vertretern privater Medien im Tschad führte. Schon bei kleinsten kritischen Äußerungen werden Radiostationen geschlossen, Berichterstatter bedroht und willkürliche Festnahmen sind auch 2018 an der Tagesordnung.

Das Radio ist das am weitesten verbreitete Medium – und vornehmlich unter staatlicher Kontrolle. Die Privatsender unterstehen einer strengen Prüfung durch die Behörden.

Radio

Das Radio dient als wichtige Informationsquelle und Nachrichtenübermittlung und bietet vor allem auf dem Land durch die vielen kleinen Regionalsender eine Austauschmöglichkeit. Der staatliche Hörfunk RNT (4905 kHz) sendet v.a. in den Sprachen Französisch, Arabisch und Sara, aber auch in anderen Landessprachen. Auf diese Weise werden alle gesellschaftlichen Ereignisse wie z.B. Todesanzeigen, Schulabschlüsse, berufliche Beförderungen, festliche Ereignisse etc. bekannt gegeben. Auf Dorf- und Stadtebene wird diese Aufgabe nach wie vor auch von Griots (oder crieurs publique) erfüllt.

Neben den internationalen Stationen wie RFI, Africa No.1 gibt es andere unabhängige Sender wie

z.B. Radio FM Liberté, das von mehreren tschadischen Menschenrechtsgruppen gegründet wurde und, wie auch Radio Brakoss, wiederholt staatlichen Übergriffen und Schließungen ausgesetzt ist.

Presse

Neben der staatlichen Nachrichtenagentur ATP und der regierungsnahen Tageszeitung Le Progrès  gibt es noch einige unabhängige bzw. oppositionelle Zeitungen, die meist wöchentlich in einer Auflage von ca. 3.000 Stück erscheinen. Zu den wichtigsten zählt N´Djaména Bi-Hebdo unter der Führung von Jean-Claude Nekim, die von dem Oppositionspolitiker Saleh Kebzabo gegründet wurde und phasenweise monatelang nicht erscheinen durfte. Weitere Zeitungen sind Le Temps und L´Observateur. Insgesamt gibt es ca. 30 Printmedien, darunter einige zielgruppenspezifische wie z.B. La voix du paysan.

Die Verhaftung von Journalisten der Zeitungen Le Temps und L´Observateur im Juni 2005 und die Ausweisung eines Journalisten von La Voix im Oktober 2009 haben internationale Proteste hervorgerufen. Mit der Verschärfung der Konflikte haben auch die Presse und andere Medien mit stärkeren Einschränkungen zu kämpfen. Kritische Journalisten müssen daher mit Repressalien und Verfolgung rechnen, wie z.B. im September 2012 die Verhaftung und Verurteilung des Direktors der oppositionellen Wochenzeitschrift N´Djaména Bi-Hebdo Jean-Claude Nekim oder die Aggressionen im Februar 2018 gegenüber Djimet Wiché von Alwihda Info deutlich machte.

Fernsehen

Es existiert nur ein staatliches Programm von Télé-Tchad, das ab nachmittags in Französisch und Arabisch sendet. Seit 2014 ist der private Sender ElectronTV hinzugekommen. Die mangelnde Infrastruktur und geringe Kaufkraft stehen einer größeren Verbreitung des Fernsehens entgegen. Allerdings gibt es viele Video-Bars, wo Filme (viel Bollywood), aber auch Sport (insb. Fußball) und Nachrichten geschaut werden können.

Kunst und Kunsthandwerk

Kunst und traditionelles Kunsthandwerk spielen sowohl im Alltag als auch im religiösen Leben der Menschen eine wichtige Rolle. Zeugnisse künstlerischer Ausdrucksformen lassen sich vor allem im Tibesti und Ennedi-Gebirge bis ins Neolitikum durch eindrucksvolle und gut erhaltene Felsmalereien nachweisen.

Bedeutend für das Kunsthandwerk sind die Schmiede, die der eigenen Kaste der Haddad angehören und eine besondere Stellung in der Gesellschaft einnehmen. Auch Weber, Töpferinnen, Hersteller von Korbwaren und Flechtarbeiten und Lederhandwerker sind wichtige Akteure des traditionellen Handwerks.

In Gaoui, einem kleinen Ort am Chariufer unweit von N`Djaména, kann man die Töpferkunst der Kotoko bewundern, die sich als Nachfahren der Sao-Hochkultur sehen. In Gaoui steht auch ein kleines Museum mit Beispielen von Kotoko- und Sao-Keramiken aus verschiedenen Epochen.

Das Musée National du Tchad in N’Djaména bietet einen Einblick in die Geschichte des Landes durch archäologische und ethnographische Ausstellungsstücke (Fossilien, Keramiken, Schmuck u.ä.).

Tanz und Choreographie

Der Vorläufer des Ballet National Tchadien wurde in den 70er Jahren gegründet und hat seither auch auf internationaler Ebene einige Auszeichnungen erhalten. Die Tänzer und Tänzerinnen führen den Betrachter durch die Vielfalt der Tänze und Tanzstile des gesamten Landes. Daneben gewinnen  mehr und mehr zeitgenössische Elemente im Tanz an Bedeutung.

Vorwürfe der Instrumentalisierung des Ballets durch die Regierung hatten zur Abspaltung und Gründung des privat organisierten Ensembles «Le Ballet Loma», geführt, das so jedoch nicht mehr existiert. «Kadja Kossi» und «Les jeunes tréteaux» waren erste erfolgreiche Gruppen, die kontemporären Tanz und Theater repräsentieren, jedoch nur durch die Unterstützung von ausländischen Organisationen fortbestehen können, da es im Tschad selbst keinen Markt und kaum Unterstützung für diese Initiativen gibt. Seit einigen Jahren erfreuen sich Tanzfestivals wie das Me Ya Be großer Beliebtheit.

Traditionelle Musik

Die traditionelle Musik des Tschad nimmt einen wichtigen Platz im kulturellen und rituellen Leben der Menschen ein. Im Süden sind die musikalischen Elemente stark von schwarzafrikanischen Einflüssen geprägt, im Norden kommen wesentlich mehr arabische Einflüsse zum Tragen, was sich auch im sehr unterschiedlichen Tanzstil manifestiert.

Die Sara im Süden benutzen eine große Bandbreite an Instrumenten wie bspw. Trommeln, Leiern, Flöten oder das Balafon, den Urahn unseres Xylophons. Im Westen der Republik sind verschiedene Blasinstrumente sehr verbreitet, wie etwa die Kera-Flöte der Toupouri oder sehr lange Horntrompeten bei den Kanembou.

Im Norden gibt es professionelle Musikerkasten, die traditionelle Gesänge vortragen und Geschichten erzählen. Balafon und Kora sind hier die bekanntesten Instrumente.

Moderne Musik

2007 hat die tschadische Sängerin Mounira Mitchala den großen Nachwuchspreis ‹Prix Découvertes RFI› von Radio France International in Conakry erhalten. Sie gilt als hoffnungsvolles Talent mit der Fähigkeit, in ihrer Musik traditionelle und moderne Elemente zu verbinden. Derzeit sehr populär ist Yasmine Abdallah, die sich häufig Frauenthemen widmet und gegen Beschneidungspraktiken einsetzt. Weitere Stars aus der tschadischen Musikszene sind Cidson-Alguewi, Clément Masdongar, Ingamadji Mujos Némo, Kaar Kass Sonn und Achille Balbal, Chari Jazz, Groupe Tibesti oder Pyramides du Tchad

Film

Neben seinen bekannten Filmen «Bye Bye Africa» und «Abouna» («Unser Vater») thematisiert der in Paris studierte und international gefeierte tschadische Filmemacher Mahamat Saleh Haroun im Film «Daratt» («Trockenzeit») die Problematik von Amnestie und Toleranz in seinem Heimatland. Für seinen Film «Un Homme qui crie» erhielt er 2010 den großen Preis der Jury in Cannes und war 2013 mit seinem Film Grigris auch wieder dabei. Mitte Mai 2016 stellte Haroun seinen Dokumentarfilm über Hissein Habré in Cannes vor und 2017 «Une Saison en France«. Von 2017 bis Anfang 2018 war Haroun kurzzeitig Kultur-und Sportminister.

Weitere, jedoch nicht so bekannte Regisseure sind Serge Issa Coleo («Un taxi pour Aouzou«) und Edouard Sailly ( «L’enfant du Tchad», 1969).

Nach 30 Jahren hatte Anfang 2011 nun endlich wieder ein Kino seine Pforten in N’Djaména geöffnet und die Filmemacherszene des Landes hofft nun auch auf einen Aufschwung des Genres.

Literatur

Neben dem geschriebenen Wort, zu dem nur eine gebildete Minderheit Zugang hat, ist im Tschad nach wie vor die orale Tradition von großer Bedeutung, durch die noch heute Wissen und Werte durch Erzählungen, Lieder und Gedichte von Generation zu Generation weitergetragen wird.

Die bekanntesten tschadischen Autoren sind Antoine Bangui, geboren 1933, der in seinem ersten Werk seine Erfahrungen als «Prisonnier de Tombalbaye» beschreibt, Baba Moustapha (1952-1982), mit seinen bekanntesten Stücken «Le Souffle de l’Harmattan», «Makarie aux Épines» oder «Le Commandant Chaka», in dem er die Militärdiktatur in einem imaginären afrikanischen Land kritisiert. Daneben sind zu nennen Palou Bebuoné, Joseph Brahim Seid (1927 – 1980), mit seinen Beschreibungen zu Tradition und Land in «Un enfant sous les étoiles» und «Un enfant du Tchad», Noêl Nétonon NDjekery, geboren 1956, der mit seinen Novellen «Goundangou» und «La descente aux enfers» bekannt wurde, Béna D. Nimrod («Le Départ», «Les Jambes d› Alice«,»Le Bal des princes») oder Maoundoé Naindouba mit den Novellen «La double détresse» und «La lèpre». In seinem Theaterstück «L’étudiant de Soweto» setzt er sich mit dem Thema der Apartheid auseinander.

Kulturelle und wissenschaftliche Institutionen

In N’Djaména und anderen größeren Städten kann in verschiedenen Bibliotheken, jetzt auch in der neu eröffneten Nationalbibliothek, nach Literatur und wissenschaftlichen Fragen geforscht werden.

Das L’Institut Francais bietet Kulturveranstaltungen von Filmen über traditionelle und moderne Musik bis Tanz und aktuelle Informationen im Kulturbereich. La Maison de la Culture de Baba Moustapha und Le Centre Culturel Al-Mouna sind weitere Zentren der kulturellen Begegnung und 2018 eröffnete ein amerikanisches Kulturinstitut.

Die Universität von N’Djaména steht in Kooperation mit der Universität Hildesheim. Wissenschaftliche Reihen zum Tschadbecken veröffentlicht die Universität Bayreuth. Das Netzwerk Mega-Tschad betreibt interdisziplinäre Forschung zu dieser Region. Des Weiteren werden viele wissenschaftliche Studien zur Tschadregion im französischen Verlag L’Harmattan aufgelegt.

Religion

Über die Hälfte der Einwohner (ca. 53 %) sind Muslime, ca. 34 % sind Christen, wovon die Katholiken 28 % und 48 % die Protestanten ausmachen, unter ihnen Anhänger unabhängiger, evangelikaler und pentekostaler Glaubensgemeinschaften. Zudem gibt es v.a. im Süden zahlreiche Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen (etwa 14 %). Die Religion bestimmt und charakterisiert das soziale Leben der Menschen. Dies gilt sowohl für den Islam als auch für das katholische und protestantische Christentum und für die traditionellen afrikanischen Religionen. Dabei werden die beiden monotheistischen Religionen nicht als monolithische Blöcke wahrgenommen, sondern weisen auch synkretistische Elemente auf.

Die Muslime im Tschad folgen mehrheitlich der sunnitischen Rechtsschule, malikitischer Ausrichtung. In der früheren Geschichte haben mystische Bruderschaften, insbesondere im Osten und Norden des Landes, eine große Rolle gespielt. Noch heute ist die Tijaniya-Bruderschaft, in deren Lehre auch Elemente lokaler afrikanischer Religion aufgenommen sind, von großer Bedeutung im Tschad. Auch die Diya (Blutgeld) wird in den muslimisch geprägten Gesellschaften im Tschad zur Konfliktlösung bei Streitfällen mit Todesfolge, Unfällen oder Körperverletzungen nach wie vor angewandt.

Gegenwärtig werden zunehmend Einflüsse des Islam, u.a. durch die Unterstützung Saudi-Arabiens, Libyens und des Sudan im christlich geprägten Süden des Landes sichtbar. Arabisch als Verkehrssprache gewinnt dort immer mehr an Bedeutung. Seit 1969 ist der Tschad Mitglied der Organization of the Islamic Cooperation (OIC).

Größte christliche Gemeinschaft ist die Katholische Kirche mit acht Diözesen, größte protestantische Kirche ist die Eglise Evangélique du Tchad (EET), die ihren regionalen Schwerpunkt im Süden des Landes haben. Daneben sind auch die Eglise Fraternelle Luthérienne du Tchad (EFLT), die Assemblées Chrétiennes au Tchad (ACT), die Eglise Adventiste du Tchad und die Eglise Baptiste du Tchad erwähnenswert.

Die Verfassung des Tschad garantiert das Recht auf religiöse Freiheit. Im Religious Freedom Report des US Departments of State aus dem Jahr 2017 wird dem Tschad auch aktuell die Einhaltung dieses Rechts grundsätzlich bestätigt, selbst wenn einige religiöse Praktiken und Organisationen verboten wurden. Daneben wird die Bevorzugung der Muslime gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften beanstandet. Fundamentalistischen Strömungen werden etwa 5-10 % der Muslime zugerechnet, darunter Wahabismus und Salafismus.

Am 29.Juni 2008 kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Unterstützern des militanten Religionsführers Sheikh Ahmet Ismael Bichara in Kuono, bei denen 72 Menschen getötet wurden.

Durch die Gewalt der islamistischen Terrormiliz Boko Haram, die durch Selbstmordanschläge und andere Terrorakte Dutzende Tote und Hunderte Verletzte zu verantworten hat, ist das überwiegend friedliche Zusammenleben der verschiedenen Religionen zunehmend in Gefahr. So hat Ende Januar 2018 ein Zentrum für Deradikalisierung in N’Djaména eröffnet.

Die Urheberin Brigitte Salzberger, Ethnologin (MA), geb. 1967 lebt und arbeitet in Rheinland-Pfalz. Ich habe Frau Salzberger per E-Mail kontaktiert. Im Vorfeld habe ich die Übernahme der Inhalte mit der GIZ besprochen. Das Länderportal ist im Juli 2021 abgeschaltet worden und wurde bis dahin aktualisiert.