Staat
Nationale Symbole
Die Nationalflagge des Tschad wurde am 6.11.1959 offiziell eingeführt. Sie besteht aus einem blauen, gelben und roten Band und ist der französischen Trikolore nachgebildet. Die Farben symbolisieren den südlichen fruchtbaren Teil des Landes (blau), den wüstenhaften Teil (gelb) und die Farbe Rot steht für Einheit und Fortschritt im Land. Einer anderen Auslegung nach bedeutet Blau die Freiheit des tschadischen Volkes, Gelb das Land (Wüste) und Rot das Blut derjenigen, die die Nation verteidigt haben.
Bis 1970 führte der Tschad ein Staatssiegel, das in ähnlicher Form von der Administration bis heute als Stempelaufdruck verwendet wird. Der Tschad gab sich dann ein neues Staatswappen, das einen Schild mit aufgehender Sonne und Orden zwischen einem goldenen Mufflon und Löwen zeigt. Darunter ist ein goldenes Schriftband mit dem Motto: «Einheit, Arbeit und Fortschritt» angebracht.
Die Nationalhymne des Tschad ‹La Tchadienne› wurde von Louis Gidrol geschrieben und von Paul Villard komponiert.
Peuple Tchadien, debout et à l’ouvrage! Tu as conquis la terre et ton droit;
Ta liberté naitra de ton courage. Lève les yeux, l’avenir est à Toi.
O mon Pays, que Dieu te prenne en garde, Que tes voisins admirent tes enfants.
Joyeux, pacifique, avance en chantant, Fidèle à tes anciens te regardent.
Formaler Staatsaufbau
Der Staatspräsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Chef des Ministerrats (Regierungskabinett) und ernannte als solcher den Premierminister, der seinerseits die Regierung bildet. Seit der Verfassungsänderung 2018 wurde das Amt des Premierministers jedoch abgeschafft. Gewaltenteilung existiert de facto seit der Verfassungsänderung 2018 nicht mehr.
Der Präsident wurde für fünf Jahre, seit der Änderung 2018 für sechs Jahre in Direktwahl nach Mehrheitswahlrecht gewählt, wobei es ggf. zur Stichwahl zwischen den beiden erstplatzierten Kandidaten kommen kann. Die durch das Parlament und per Referendum vom Volk angenommene Verfassungsänderung erlaubt dem Präsidenten seit 2005 die Ausübung mehrerer Mandate.
In der Verfassung sind die rechtlichen Grundlagen für Gewaltenteilung, Mehrparteiensystem, Grundrechte und Dezentralisierung festgeschrieben, wobei z.B. für Letzteres die Bedingungen noch nicht alle erfüllt sind. Seit September 1999 wurden mehrmals neue Verwaltungseinheiten gebildet (seit 2012 bestehen 23 Regionen mit seit August 2018 95 Départements). Auch wurde die zweite Parlamentskammer, d.h. der Senat, als gesetzgebende Gewalt und Repräsentant der Gebietskörperschaften, bis jetzt nicht geschaffen.
Die Nationalversammlung (Assemblée Générale) als erste Parlamentskammer hatte bis 2010 155 Abgeordnete, die vom Volk für vier Jahre gewählt werden. Allerdings haben die Abgeordneten ihr Mandat schon mehrmals eigenmächtig verlängert. Nach dem Zensus wurde die Zahl der Abgeordneten nun angepasst und auf 188 erhöht.
Finanzielle Schwierigkeiten wurden für die Verschiebung der Parlamentswahlen von 2001 auf 2002 angeführt und auch für die letzte Mandatsverlängerung 2006 als Grund angegeben. Damit gab es zwischen 2002 und Februar 2011 keine Parlamentswahlen und auch seit 2011 nicht mehr, obwohl diese turnusmäßig alle vier Jahre hätten stattfinden sollen. Nach mehrmaligem Verschieben sollen die nächsten Parlamentswahlen nun am 24. Oktober 2021 abgehalten werden.
Recht, Ordnung und staatliche Sicherheit
Das Rechtssystem des Tschad ist geprägt von der Koexistenz verschiedener Systeme, dem staatlichen, dem traditionellen, lokalen (von Ethnie zu Ethnie unterschiedlichen) und dem islamischen Recht.
Das staatliche tschadische Rechtssystem basiert auf französischem Kolonialrecht. Bis heute wird etwa das französische Zivilrecht von 1958 modifiziert angewandt, andere Rechtsgebiete, wie das Strafrecht, wurden durch eine nationale Gesetzgebung neu definiert. Über ein einheitliches, neues Familienrecht wurde jahrelang hitzig debattiert und Ende 2016 verschiedene Passagen im Strafgesetz diesbezüglich verändert.
Die Justiz ist nur formell unabhängig und steht unter dem Druck der Exekutive. Neben unzureichenden personellen und materiellen Ressourcen ist das System stark reformbedürftig. Korruption und Vetternwirtschaft auf allen politischen und Verwaltungsebenen behindern Entwicklungsmöglichkeiten und Transformationsprozesse.
Das Gericht mit dem Cour Suprême ist formal die höchste rechtliche Instanz im Land.
Die Polizei, Gendarmerie, Armee und Garde Nationale et Nomade (GNNT) sind zuständig für die innere Sicherheit. Allerdings herrschen auch hier korrupte Strukturen vor und die meisten Sicherheitsposten sind von regierungsnahen Personen oder Mitgliedern aus dem Clan oder der Ethnie des Präsidenten besetzt. Den Sicherheitsdiensten werden immer wieder Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, Willkür, Folter, Verschwindenlassen und Vergewaltigungen vorgeworfen, wobei die Täter fast immer mit Straflosigkeit rechnen können.
Wegen immenser Unregelmäßigkeiten im gesamten Polizeiapparat hat der Staatspräsident unter anderem zwei hochrangige Minister seiner Regierung Mitte Februar 2013 entlassen und Untersuchungen gegen Vetternwirtschaft und Korruption angekündigt.
Kriminalität breitet sich aufgrund der beschriebenen unzureichenden Strukturen, eines schwachen Staates und einer schwachen Justiz weiter aus, so dass von Betroffenen oft zur Selbstjustiz gegriffen wird. Auch Übergriffe auf Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, meist mit dem Ziel Wertgegenstände und vor allem Fahrzeuge zu erbeuten, häufen sich besonders im Osten des Landes.
Waffen: Aufgrund der allgemeinen angespannten Sicherheitslage, rechtsfreier Räume und großer Unterstützung von Seiten externer Akteure (z.B. Sudan) hatten sich Waffenlieferungen an die verschiedenen Rebellengruppierungen im Zeitraum von 2004 bis 2008 im Vergleich zu den Vorjahren verfünffacht. Diese, wie auch die durch die instabile Lage des nördlichen Nachbarn Libyen seit 2011 hervorgerufene Waffenschwemme im Nordtschad, haben zu weiterer Militarisierung und Verunsicherung im gesamten Land geführt.
Minen: Die Gefährdung durch Landminen ist vor allem im Norden des Landes (Ennedi, Tibesti) seit der Verminung des Gebietes während der libysch-tschadischen Auseinandersetzungen um den Aouzou-Streifen ab Mitte der 70er Jahre akut. Nach Angaben der International Campaign to ban Landmines sind mehr als 280 000 Menschen durch Minen bedroht und seit 2006 hat sich auch die Gefahr scharfer, nicht explodierter Munition (UXO), die bei Rebellenangriffen verwendet wurde, extrem erhöht.
Minenräumungsprojekte werden immer wieder durch die instabile politische Situation in den betroffenen Gebieten behindert. Eine umfassende Analyse der Situation und vermehrte Aufklärungsarbeit soll die Gefährdung eindämmen.
Innenpolitische Themen
Machthaber und Machtgruppen
Mit der Einführung des Mehrparteiensystems haben sich dutzende Parteien gebildet. Ihre Wählerbasis beruht zumeist auf ethnischer Zugehörigkeit, die sich über die regionale Herkunft des jeweiligen Kandidaten definiert. Die wichtigste und beherrschende politische Kraft ist die vom Staatspräsidenten geführte Mouvement Patriotique du Salut (MPS), die derzeit mit 125 von 188 Abgeordneten im Parlament vertreten ist.
Die wichtigsten legalen Oppositionsparteien wie z.B. die UNDR von Kebzabo oder die FAR von Yorongar, die mit weiteren vier Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl 2001 gegen Déby angetreten waren, beklagten sich – wie bereits bei den vorherigen Wahlen 1996 – über massive Wahlbehinderungen und Unregelmäßigkeiten und fochten die offiziellen Wahlergebnisse an. Bei den Parlamentswahlen 2002 kam es zum Wahlboykott einiger Oppositionsparteien. International wurden die Wahlen aber als «einigermaßen fair» angesehen, was jedoch aus tschadischer Perspektive kritischer bewertet wurde.
2009 wurde die Sozialistische Partei Parti Démocratique et Socialiste pour l’Alternance (PDSA) mit dem Vorsitzenden Malloum Yoboïdé Djéraki gegründet, die in den Parlamentswahlen 2011 einige Erfolge vorzuweisen hatte.
Die CPDC (Coalition des partis pour la défense de la Constitution) ist ein überparteiliches Bündnis aus Oppositionsparteien, die sich 2005 aufgrund der damals geplanten Verfassungsänderung zu einem Boykott des Referendums und der sich daran anschließenden Präsidentschaftswahlen 2006 zusammenschlossen. Im September 2019 wurde im CPDC eine neue Kommission eingerichtet, um die Wahlen der Legislative neu zu regeln.
Im April 2008 nahm Déby vier Oppositionsmitglieder des CPDC in sein Kabinett auf. Darunter auch Youssouf Saleh Abbas, der von 2008-2010 das Amt des Premierministers bekleidete aber im März 2010 wegen Differenzen mit Déby seinen Rücktritt verkündete. Abbas stammt aus dem Osten des Landes und war in den 90ern aktiv in der Rebellenbewegung MDJT tätig. Neuer Premierminister war bis Ende 2012 Emmanuel Nadingar, vormals für Dezentralisierungsfragen zuständig und enger Vertrauter des Präsidenten. Ihm folgte im Januar 2013 Joseph Djimrangar Dadnadji aus der Provinz Mandoul im Süden des Landes, dessen Regierung schon in den ersten Wochen nach Amtsantritt mit Neubesetzungen wegen Unregelmäßigkeiten zu kämpfen hatte. Bereits im November 2013 wurde dieser durch Kalzeubet Pahimi Deubet ersetzt, der zuvor verschiedene Ministerposten inne hatte.
Am 14. Februar 2016 setzte Déby kurz vor den Wahlen am 10. April 2016 Albert Pahimi Padacké als neuen Premierminister ein. Albert Pahimi Padacké stand bei den Wahlen von 2006 und 2011 als Gegenkandidat für das Rassemblement National des Démocrates Tchadiens (RNDT) auf der Wahlliste und stammt aus dem Süden, aus Mayo-Kebbi Ouest. Die RNDT wurde danach zur Koalitionspartei der Regierung Déby und trug mit zu dessen Erfolg bei den letzten Präsidentschaftswahlen bei.
Seit 2016 besteht eine neue Koalition von Oppositionsparteien, die Fonac (Front de l’opposition nouvelle pour l’alternance et le changement), die sich im April 2018 gegen die Reformen und angekündigten Verfassungsänderungen der Regierung ausgesprochen hatte. Die Änderungen, die faktisch die uneingeschränkte Macht des Präsidenten zur Folge hat, führten Anfang Mai 2018 zum Rücktritt der Regierung.
Eine unter vielen Korruptionsaffären hatte im Oktober 2009 die Inhaftierung und Vernehmung des ‹zweiten Mannes im Staat›, Generalsekretär der regierenden MPS Haroun Kabadi und weiterer
Minister vor Gericht zur Folge. Dabei ging es um einen öffentlichen Beschaffungsauftrag, bei dem mehrere Milliarden Francs CFA Bestechungsgelder geflossen sein sollen. Aufgrund fehlender Beweise sind allerdings alle hochrangigen Beschuldigten wieder auf freien Fuß gesetzt worden und Haroun Kabadi wurde Vorsitzender der Nationalversammlung.
Die Urheberin Brigitte Salzberger, Ethnologin (MA), geb. 1967 lebt und arbeitet in Rheinland-Pfalz. Ich habe Frau Salzberger per E-Mail kontaktiert. Im Vorfeld habe ich die Übernahme der Inhalte mit der GIZ besprochen. Das Länderportal ist im Juli 2021 abgeschaltet worden und wurde bis dahin aktualisiert.